Brättschälleberg, Lehrgrabung der Universität Bern
Seit wenigen Jahren ist der Brättschälleberg im Wiggertal als prähistorische und römische Siedlungsstelle bekannt. Die stark gegliederte, ausgeprägte Topographie stellt eine natürliche Befestigung dar, welche zu jeder Zeit die Kontrolle der Verkehrswege im Wiggertal erlaubte. Das reiche, im Rahmen von autorisierten Detektorgängen geborgene Fundmaterial aus verschiedenen Epochen belegt die Bedeutung der durch Erosion gefährdeten Fundstelle. Nur Sondierungen konnten Aufschluss darüber geben, ob sich nebst den Funden auch Reste von Siedlungen erhalten haben. Die Zusammenarbeit mit dem Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Bern erlaubte es, 2014 eine erste Lehrgrabung durchzuführen. Diese bestätigte, dass trotz der Schäden durch Erosion und illegale Schürfungen mit gut erhaltenen Befunden zu rechnen ist. Die Studierenden legten unter anderem eine Steinpflästerung frei, die zu einem Haus aus der frühen Eisenzeit (etwa 800 – 450 v. Chr.) gehört. Das Fundmaterial umfasst zahlreiche Keramikfunde, welche die Metallfunde aus der begleitenden Prospektion ergänzen. /en.
Kantonsarchäologe Ebbe Nielsen und Josef Wanner (Heimatvereinigung, rechts aussen) orientierten.
Eine prähistorische, keltische römische Hügelsiedlung
Bis vor wenigen Jahren wurde an Ort eine mittelalterliche Burg vermutet (Burgstelle Liebigen). Prospektion und Sondierungen der Kantonarchäologie Luzern haben in Zusammenarbeit mit der Universität Bern jetzt ein völlig anderes Bild ergeben. Eine Burg konnte nicht nachgewiesen werden, wohl aber Spuren, die eine Besiedlung während mehreren tausend Jahren bezeugen.
Die Feldbegehungen zeigten auf, dass die Hügelkuppen und das Gelände dazwischen als Siedlungsgelände genutzt worden sind. Der gesamte Siedlungsbereich umfasst nach heutigen Kenntnissen etwa fünf Hektaren. Da die Forschungen noch nicht weit fortgeschritten sind, Bleiben unsere Kenntnisse vorerst sehr spärlich, das Siedlungsgelände könnte aber in Zukunft weiter an historischer Bedeutung gewinnen.
Die Jungsteinzeit
Die ältesten Spuren stammen aus der Jungsteinzeit (5500 – 2200 v. Chr.). Gefunden wurden bis anhin nur einige wenige Silexartefakte (Feuerstein), so dass eine genaue zeitliche Zuweisung der Artefakte noch nicht möglich ist. Steinzeitliche Funde auf Hügelkuppen sind ein verbreitetes Phänomen in der Region. Zahlreich sind aber auch die Dörfer an den Seen, die so genannten Pfahlbauten. Wir können davon ausgehen, dass bereits in der Frühzeit hier oben eine befestigte Siedlung gestanden hatte.
Die Bronzezeit
Die mittlere Bronzezeit (1550 – 1350 v.Chr.) ist durch eine fragmentierte Schmucknadel, eine sogenannte Zackennadel, belegt. Solche Schmuckstücke wurden als Kleiderverschlüsse verwendet. Ob sie aus einer Siedlung oder einem zerstörten Grab stammt, ist unbekannt. Aus der mittleren Bronzezeit kennen wir zahlreiche Landsiedlungen, wogegen die Seeufer damals als Siedlungsplatz gemieden wurden. Die späte Bronzezeit (1350 – 800 v.Chr.) ist mit einem Messer aus Bronze vertreten. Auch in diesem Fall ist der Fundzusammenhang nicht nachvollziehbar: Siedlung oder Grab?
In der Spätbronzezeit werden wieder Dörfer an den Seeufern errichtet, Land- und Hügelsiedlungen sind aber ebenso weit verbreitet.
Bronzezeitliches Messer
Bronzezeitlicher Nadelkopf
Die Kelten
Die Eisenzeit (800 – 15 v.Chr.) ist die Blütezeit der Kelten. Ihre Vorfahren in der Bronzezeit und in der Jungsteinzeit können wir vermutlich ebenfalls als Kelten oder „Ur-Kelten“ bezeichnen, denn die Archäologie kann ab etwa 2500 v.Chr. keinerlei kulturelle Brüche mehr auszeigen. Die frühe Eisenzeit (um 800 – 450 v.Chr.) wird nach einer in Österreich als Hallstattzeit bezeichnet. Typisch sind „Fürstensitze“ auf Hügelkuppen und ausserordentliche reiche Hügelgräber, die häufig als „Fürstengräber“ bezeichnet werden. Die einfachen Bürger lebten in Dörfern im Tal und wurden in Urnen mit bescheidenen Beigaben bestattet, wie sie z.B. auf der „Schützenmatte“ in Schötz gefunden worden sind. Vom Brättschälleberg kennen wir bis anhin das Fragment einer Fibel (Gewandnadel) und ein Kurzschwert aus dieser Zeit, Hinzu kommen Keramikscherben und offenbar auch die Spuren von Gebäuden, die bei den Grabungen der Universität Bern freigelegt wurden.
Am Ende dieser Epoche sind grosse befestigte, beinahe stadtähnliche Siedlungen in geschützter Lage typisch. Sie können auf Hügelkuppen oder an Die späte Eisenzeit wird nach einer Fundstelle am Neuenburger Latènezeit genannt. Zeitlich liegt die Epoche zwischen 450 v.Chr. und der endgültigen Unterwerfung der Gebiets der heutigen Schweiz durch den römischen Kaiser Augustus im Jahre 16 v.Chr. Flussschlaufen gelegen sein. Julius Cäsar bezeichnete eine solche Siedlung als „Oppidum“.
In den letzten 100Jahren vor dem römischen Einmarsch geht auf dem Brättschälleberg offenbar die Post ab. Das reiche Fundmaterial umfasst Münzen, Schmuck und zum Beispiel auch Waffen in Form von Pfeilspitzen. Ein besonders wichtiger Fund ist ein Ohrring aus Goldblech Vergleichbare Ohrringe kommen in den Hochkulturen am Mittelmeer häufig vor. Das Stück aus dem Brättschälleberg ist aber bis anhin einmalig nördlich des Alpenkamms. Eventuell wurde es von lokalen keltischen Kunsthandwerkern hergestellt, die ihre Inspiration von den Kulturen am Mittelmeer übernommen hatten.
Am Ende der Eisenzeit, im 1. Jahrhundert v.Chr., intensivierte sich offenbar die Siedlungstätigkeit auf dem Brättschälleberg merklich. Eindeutige Belege von Gebäuden oder Befestigungen aus dieser Zeit wurden aber noch nicht gefunden. Wir sind überzeugt, dass hier sicher eine Siedlung gelegen haben muss. Von der Grösse her ist das Gebiet an der unteren Grenze für ein „Oppidum“. Ein Adelssitz oder sonst ein befestigtes Dorf kommt deshalb eher in Frage. Das doch recht reiche Fundmaterial weist jedenfalls auf Bewohner mir einem gesellschaftlich hohen Status hin. Die dominante Lage am Rande des Wiggertals ermöglichte es vielleicht, Zoll- oder Schutzgelder einzutreiben, wie das später im Mittelalter gang und gäbe war.
Interessant ist ebenfalls eine Handvoll Bronzemünzen, die zusammen gefunden wurden. Ein Teil der meistens stark abgeschliffenen Münzen wurde im 1. Jahrhundert v.Chr. im Rom geprägt. Zwei davon wurden aber im Namen von Kaiser Augustus vom Militär in der römischen Kolonie Nemausus, dem heutigen Nîmes in Südfrankreich, ausgegeben. Ob die Funde mit der römischen Invasion Helvetiens in Zusammen stehen, bleibt aber ungeklärt.
Die Römer
Die römische Kaiserzeit ist mit Münzen, Bronzebeschlägen und einem Schlüssel belegt. Das Alter der Funde streut über mehrere Jahrhunderte, und ihre Bedeutung ist schwierig zu verstehen. Da die Fundmaterialien nicht sehr zahlreich sind, gehen wir unbedingt von einer eigentlichen Siedlung aus.