Ein Reider Original
Zum Gedenken an Blickisdorf-Hansali – das populäre Original. (Hans Marti)
Am 1. Mai 1973 wurde in Reiden Hans Blickisdorf, das weitherum wohlgelittene Original, zu Grabe getragen. Ein zahlreiches Leichengeleite und viele Blumen bezeugten die Anhänglichkeit der Reider an „ihren“ Blickisdorf Hansali, wie er allgemein genannt wurde. Donnerstag, 26. April, war er nach längerem Leiden im Bürgerheim Reiden verschieden, wo er seit einiger Zeit hospitalisiert war. Seit rund anderthalb Jahren konnte „Hansali“ nicht mehr seinem „Beruf“ nachgehen. Beruf? - Eigentlich hatte er keinen solchen gelernt. Doch betätigte er sich beinahe Zeit seines Lebens vorwiegend als Korber, Besenmacher, „Bürdeler“, Holzer und dann wieder als „Trabant“ bei ihm gutgesinnten Leuten.
Seine Erzeugnisse verkaufte er vorwiegend an Bauern, die er mit Zweiräderkarren oder Wägelchen aufsuchte. Notabene alles zu Fuss! Wer hätte dabei die kleine Statur, wie sie mit den Füssen häkelnd, nicht von weitem erkannt? Der „Aktionsradius“, den „Hansali“ entwickelte, war ziemlich gross. Er hatte Kundschaft im Pfaffnerntal, in St. Urban und bis gegen Nebikon und Schötz. Zum Flicken von Körben brauchte er ausser Weiden auch Nielen (Zweige der Waldrebe). Letztere holte er sich bei der Feste in Aarburg. Auch das ging selbstverständlich alles auf Schusters Rappen, gar bei der grössten Hitze, ohne dass „Hansali“ dabei müde geworden wäre. Zeit spielte für ihn nicht die gleiche Rolle wie bei den meisten von uns. Aber er wollte ständig arbeiten, nicht aus Sucht nach dem Geld, sondern zum Zeitvertreib. AIs unser Original wegen gesundheitlichen Gründen sein Gefährt nicht mehr selber ziehen konnte, aber auch im modernen Strassenverkehr gelegentlich ein Hindernis war, drängte er seinen Vormund, Spengler Meister Ernst Erni, dass ihn dieser samt Körben und Besen mit dem Lieferungswagen nach St. Urban führte, wo „Hansali“ dann seine Kunden aufsuchte.Er gönnte sich auch das eine und andere, doch war er höchst sparsam. Im Gegensatz zu seinen kleinen Talenten und entsprechendem Einkommen, hinterlässt der, nun Heimgegangene sogar noch ein bescheidenes Vermögen. Er, der oft Belachte und gern zum Narren Gehaltene, könnte im Sich-selbst-Durchbringen, wie im Sparen, gar manchem ein Vorbild sein.
Blickisdorf Erzeugnisse waren nie Kunstwerke; alles was er machte war etwas „knollig“, schwerfällig und vor allem gross genug. Das war überhaupt ein eigentümlicher Zug in seinem Wesen: Er wollte alles ungewöhnlich gross haben - unbewusster Ausgleich zu seiner kleinen Statur? Ausgesucht gross waren die Stumpen (bis zu 25 cm lang), die Pfeife, die Uhr, die eher einem Wecker glich, seine aus Weiden selbstgeflochtenen Fasnachtshüte, wie die selbstgezimmerte Bassgeige mit “Bürdalidraht“ bespannt. Sie diente fastnächtlichen Zwecken, denen Hans begeistert zugetan war.
Er wurde am 4. März 1898 in Reiden geboren. Für den Vater war die Geburt seines einzigen männlichen Sprösslings ein grosses Ereignis. Deshalb verlief schon die Taufe originell. Der Vater, Schuhmacher von Beruf, hatte hierfür einen grossen Stiefel angefertigt. Da hinein wurde der kleine Hans während der „Schlotterten“, die natürlich in der Wirtschaft gefeiert wurde, gelegt und gleichsam zur Schau gestellt. Der Junge wuchs bald zu einem gar hübschen Bürschchen heran. Die weitere Jugend war aber nicht in allem glücklich. Hans kam in der dritten Klasse aus der Schule und war eigentlich Analphabet. Mit knapper Not konnte er seine Unterschrift kritzeln. Hingegen gelang ihm das Rechnen ordentlich, es reichte jedenfalls aus, um sein „Geschäft“ zu betreiben. Er fand immer wieder seine guten Leute. Andere trieben das Gaudi mit ihm. Besessen von einer Art „Goldrausch“, wollte Hans während langer Zeit am Schlosshubel in Reiden Gold graben. Da es aber an dieser Stätte „unghürig“ war, schützte sich Hans auf Anraten hin mit drei aufgesteckten Kreuzen, die er sich aus Haselstecken verfertigt hatte. Sogar eine Goldsucherrute wollte er sich im Bundeshaus holen. . . Darüber wie überhaupt aus seinem Leben wäre noch manches Müsterchen zu erzählen. In Wirklichkeit würde aber das, was es da auszubringen gäbe, oft mehr ein Licht auf die „andern“ als auf unser Original werfen. Mit ihm ist geradezu ein Stück Reiden für immer entsunken. Deshalb, und weil er trotz etwaiger Schrullen ein lieber Mensch war, der nie an der Sonnseite des Lebensstand, verdient er heute seine gemässe Würdigung.
Fasnacht 1958 Hansali mit Fasnachtshut den er sich aus Weiden flocht, wie die selbstgezimmerte Bassgeige mit ,,Bürdelidraht" bespannt.